Bestehende technische Hürden im Umgang mit Wasserstoff wie die Effizienzverluste bei Herstellung und Verbrauch könnten durch eine hohe Innovations- und Entwicklungstätigkeit der Unternehmen genommen werden. Um den Sektor Wasserstoff und die darin stattfindende Innovationstätigkeit einschätzen zu können, ist es nützlich, die Lieferkette des Sektors zu betrachten. Die Wertschöpfungskette kann in die Schritte Herstellung, Speicherung, Verbrauch und Anwendung eingeteilt werden.[1] Ob im Wasserstoffsektor eine hohe Innovationstätigkeit herrscht, soll im Folgenden anhand vorangehend definierter Wertschöpfungskette untersucht werden.
Das private Investment in Forschung und Entwicklung wird von der Erwartung befeuert, dass ein Produkt erfolgreich am Markt platziert werden kann. Dieses Investment ist weniger risikoreich, wenn es sich um eine Verbesserung einer bereits erprobten Technologie handelt.[2] Bei der Herstellung von Wasserstoff sind die Verfahren Elektrolyse, biochemische Umwandlung und thermochemische Umwandlung marktgängig.[3] Derzeit sind bei der Herstellung von Wasserstoff Wirkungsgrade von 65% bis 80% umsetzbar, die maßgebliche Herausforderung ist die Skalierbarkeit ohne Effizienzverlust.[4]
Die größte bisher gebaute Elektrolyseanlage steht in Linz und wurde von Siemens für Forschungszwecke errichtet.[5] Siemens erkannte das Potenzial von Wasserstoff für erneuerbare Energien bereits 1990, als das Unternehmen mit Linde und BMW das Solar-Wasserstoff-Bayern-Projekt vorantrieb. Ziel des Selbigen war die Umwandlung von Solarstrom in Wasserstoff, um die antizyklische Problematik des Solarstroms zwischen Produktion und Verbrauch zu umgehen. Das Projekt wurde 1999 erfolgreich abgeschlossen und ein Joint-Venture für Solaranlagen daraus gegründet.[6] Siemens glaubt bis heute, dass „Die Wasserstoffwirtschaft […] das Wachstumsthema in der Welt in den nächsten Jahrzehnten sein [wird].“[7] Auch andere Unternehmen, wie Thyssenkrupp, arbeiten an einer Optimierung des Elektrolyseprozesses, wobei eine Effizienz von 80% bei gleichzeitiger Kostenreduktion erreicht werden konnte.[8] Beide genannten Unternehmen haben die Forschung auf Wirkungsgrade der Wasserstoffelektrolyse fokussiert, Unternehmen mit marktreifen Produkten konzentrieren sich auf Kosteneffizienz und Verlässlichkeit. Der Marktführer im Bereich Elektrolyse, Nel Hydrogen, betont in der externen Kommunikation eben diese Punkte: „With more than 3,500 reliable, cost efficient electrolysers installed around the globe, Nel Hydrogen is the recognized industry leader […].“[9] Doch auch die unabhängige Forschung macht große Fortschritte, wie eine 2017 entwickelte Technologie beweist. Sie kombiniert zwei Methoden der Elektrolyse und liefert damit einen vierfach höheren Output in gleicher Zeit im Vergleich zu herkömmlichen Elektrolyseverfahren.[10] Die Bemühungen von internationalen Unternehmen, dem Marktführer im Bereich der Wasserstoffproduktion und unabhängiger Forschung belegen eine hohe Innovationstätigkeit im Bereich Herstellung der Wasserstofflieferkette.
Im Bereich Speicherung sind bereits kostengünstige und effiziente Lösungen am Markt vorhanden. Der hohe benötigte Druck oder die niedrige Temperatur zur Speicherung sind technische Hürden, die bis vor Kurzem schwer zu beseitigen schienen. Trotzdem sorgt ein ständig fortlaufender Innovationsprozess für bis vor Kurzem nicht für möglich gehaltene Lösungen. Das Lagern von Wasserstoff in einer Trägerflüssigkeit, ohne Kühlung, wurde 2017 zur Marktreife gebracht.[11] Derartig disruptive Innovationen bringen nach Marktreife eine komplett neue Zukunftsperspektive mit sich, da in diesem Fall Wasserstoff analog zu Öl transportiert und genutzt werden kann. Neben dieser Innovation bieten Fortschritte in der Materialtechnik neue Möglichkeiten zur Speicherung von Wasserstoff als Feststoff.[12] Im gesamten Bereich Speicherung kann durch die Erreichung solcher Meilensteine von einer regen Innovations- und Forschungstätigkeit ausgegangen werden.
Der Verbrauch von Wasserstoff erfordert Brennstoffzellen, welche wiederum ein eigenes Marktsegment bilden. Innovationen in diesem Bereich fokussieren sich hauptsächlich auf die Effizienzgrade der Umwandlung. Derzeit sind unterschiedliche Technologien, wie Polymer Electrolyte Membrane (PEM), Alkaline (AFC), Phosphoric Acid (PAFC), Molten Carbonate (MCFC), Solid Oxide (SOFC), mit Umwandlungseffizienzgraden von 40% bis 60% am Markt.[13] Jede dieser Technologien hat ihre eigenen Vor- und Nachteile und wird bereits aktiv von einigen Unternehmen produziert. Neben den klassischen Varianten gibt es jedoch auch Unternehmen wie Ceres Power[14], welche ihre eigene SteelCell entwickelt haben. Die SteelCell vereint günstigste Materialien und schlanke Produktionsprozesse und ist damit nach eigener Aussage Kostenführer weltweit.[15]
Andere Akteure versuchen bestehende Technologien zu optimieren, Ballard Power Systems[16] hat sich auf die PEM Brennstoffzellen spezialisiert und hat seit Gründung rund 1 Milliarde USD in die Produktentwicklung und Innovation investiert.[17] Ein Forschungsteam aus den USA hat eine neue Art von Brennstoffzellen entwickelt, bei der wichtige Bestandteile nicht wie üblich aus Platin, sondern aus deutlich günstigeren Metallen, wie Silber und Nickel gefertigt werden.[18] Diese Brennstoffzellen sind dank einer hohen Langlebigkeit für den Einbau in Wasserstoffautos geeignet.[19] Aus den fortlaufenden Forschungsaktivitäten und den hohen Investitionen der Unternehmen am Markt in Forschung und Entwicklung kann auf eine rege Innovationstätigkeit in diesem Bereich geschlossen werden.
Eine derzeit vieldiskutierte Verwendung von Brennstoffzellen findet sich im Automobilbereich, in sogenannten Fuel Cell Vehicles, kurz: FCVs.
„[The] flexible nature of FCVs means that they can be applied to almost any automotive application and hence they have the potential to be disruptive to the entire automotive sector.“[20]
Wasserstoffautos haben neben der von Hardman, S. et al. beschriebenen Flexibilität in der Anwendung noch einige weitere Vorteile gegenüber Autos mit Verbrennungsmotoren und Batterien. Wasserstoffautos sind geräuschlos, haben lange Reichweiten, sind emissionsfrei und haben eine geringe Umweltbelastung über die gesamte Produktionskette hinweg, soweit der Wasserstoff aus erneuerbaren Energien hergestellt wird.[21] Einige Forscher behaupten hingegen, dass die Kosten für FCVs zu hoch sind, um mit gängiger Technologie konkurrieren zu können.[22] Das volle Potenzial in der Anwendung kann sich entfalten, wenn Kostenreduktionen erreicht werden können. Ein Unternehmen, das Innovation in dem Bereich betreibt, ist Audi. Audi hat 2013 eine Wasserstoffversion des A7 Modells entwickelt, das erste zu einem Elektroauto im Preis vergleichbare Wasserstoffauto.[23]
Die Innovation im Bereich der Wasserstoffautos ist insofern gehemmt, als dass die Marktzutrittsbarrieren hoch sind und bestehende Netzwerke und Lieferketten schwer zu ersetzen oder nachzubauen sind. Bisherige Wasserstoffautos wurden auf der Basis von Elektroautos gebaut und fügen deshalb nur einen marginalen Nutzen für den Endkunden hinzu. Daraus lässt sich schließen, dass die Entwicklung eines komplett neuen Fahrzeugtyps wegen der hohen Hürden von den großen Autobauern abhängt.[24]
Ein großer Automobilbauer, der maßgeblich in die Technologie investiert, ist Hyundai. Der Konzern hat 2018 insgesamt 7 Milliarden USD für die Entwicklung von Wasserstoffautos eingeplant. In den nächsten 10 Jahren plant Hyundai außerdem 700.000 Wasserstoffautos zu verkaufen.[25] Viele etablierte Autobauer werden erst in eine neue Technologie investieren, wenn ein Rückfluss aus der Investition mit hoher Sicherheit zu erwarten ist. Das hängt vor allem von den Kosten aller zugrundeliegenden Komponenten ab. Aus diesem Grund ist die Innovationstätigkeit in diesem Bereich begrenzt gegeben und hängt davon ab, wie sich die Technologie der vorher genannten Bereiche entwickelt.
Im Gesamten kann behauptet werden, dass im Wasserstoffsektor in allen Bereichen, außer bei der Anwendung im Automobilbereich, eine hohe Innovationstätigkeit herrscht und voraussichtlich auch in Zukunft bestehen wird. Die letztendliche Anwendung hängt bei FCVs jedoch von wenigen in der Automobilbranche etablierten Akteuren ab.[26] Dennoch können sich selbst diese einer externen Marktentwicklung, da einige Konkurrenten bereits investieren, langfristig nicht widersetzen. Die allgemein hohe Innovationstätigkeit wird bei Durchsetzung des Wasserstoffs langfristig zu Gewinnwachstum bei beteiligten Unternehmen führen.
[1] Vgl. Leschus, L./ Vöpel, H. (2008), S. 14.
[2] Vgl. Hardman, S./Steinberger-Wilckens, R./Van der Horst, D. (2013), S. 1.
[3] Vgl. Yamada, M./Fujikawa, K./Umeda, Y. (2019), S. 2.
[4] Vgl. Ewan, B./Adeniyi, O. (2013), S. 1667.
[5] Vgl. Leithinger, M. (2018), https://www.voestalpine.com/blog/en/innovation-en/something-the-world-has-never-seen-before/ (Stand: 25.06.2019).
[6] Vgl. Bruns, E. et. al. (2009), S. 240 f.
[7] Vgl. Höpner, A./Witsch, K. (2019), S. 18.
[8] Vgl. Thyssenkrupp (Hrsg.) (2019), https://www.thyssenkrupp.com/en/company/innovation/technologies-for-the-energy-transition/water-electrolysis.html (Stand: 25.06.2019).
[9] Nel Hydrogen (Hrsg.) (2019), https://nelhydrogen.com/assets/uploads/2017/01/Electrolysers_Brochure_2019.pdf (Stand: 25.06.2019)
[10] Vgl. o.V. (2017), https://www.innovationtoronto.com/2017/12/new-hydrogen-production-method-is-4-times-more-efficient/ (Stand: 25.06.2019).
[11] Vgl. Schmid, A. (2017) https://edison.handelsblatt.com/erklaeren/bayerisches-start-up-entwickelt-fluessigen-wasserstoff-speicher/20361098.html (Stand: 24.06.2019).
[12] Vgl. Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co. KG (Hrsg.) (2018), https://www.ln-online.de/Lokales/Lauenburg/Durchbruch-in-der-Forschung-zur-Wasserstoffspeicherung (Stand: 24.08.2019).
[13] Vgl. U.S. Department of Energy (Hrsg.) (2019), https://www.energy.gov/eere/fuelcells/comparison-fuel-cell-technologies (Stand: 25.06.2019).
[14] Vgl. hierzu ausführlich Ceres Power (Hrsg.) (2019), http://www.cerespower.com/ (Stand: 25.08.2019).
[15] Vgl. Ceres Power (Hrsg.) (2019), http://www.cerespower.com/work-with-our-steelcell/advantages-of-our-steelcell/ (Stand: 25.06.2019).
[16] Siehe hierzu auch: http://www.ballard.com/.
[17] Vgl. Ballard Power Systems (Hrsg.) (2019), http://www.ballard.com/fuel-cell-solutions/competitive-advantage (Stand: 25.06.2019).
[18] Vgl. o.V. (2019), https://www.innovationtoronto.com/2019/04/new-technology-makes-fuel-cells-more-powerful-more-durable-less-expensive/ (Stand: 26.06.2019).
[19] Vgl. o.V. (2019), https://www.innovationtoronto.com/2019/04/new-technology-makes-fuel-cells-more-powerful-more-durable-less-expensive/ (Stand: 26.06.2019).
[20] Hardman, S./Steinberger-Wilckens, R./Van der Horst, D. (2013), S. 8.
[21] Vgl. Hardman, S./Steinberger-Wilckens, R./Van der Horst, D. (2013), S. 8.
[22] Vgl. Veziroglu, A./Macario R. (2011), S. 40-43.
[23] Vgl. Hardman, S./Steinberger-Wilckens, R./Van der Horst, D. (2013), S. 10.
[24] Vgl. Hardman, S./Steinberger-Wilckens, R./Van der Horst, D. (2013), S. 12 f.
[25] Vgl. Harris, B./Jung-a, S. (2018), S. 1 f.
[26] Vgl. Hardman, S./Steinberger-Wilckens, R./Van der Horst, D. (2013), S. 8.